Löwen trauern um Günter Rahm
Günter Rahm wurde am 2. Oktober 1934 in Wültschkau in Niederschlesien geboren und wuchs in der schlesischen Bezirkshauptstadt Liegnitz (polnisch: Legnica) auf. Kurz vor Kriegsende 1945 gelangten er, seine Mutter und fünf Brüder mit einem Flüchtlingstransport ins thüringische Apolda; der Vater erlebte das Kriegsende in französischer Gefangenschaft.
In Apolda erwies sich der junge Günter Rahm bald als talentierter Fußballer und spielte bereits im Alter von 14 Jahren in der A-Jugend der Spielgemeinschaft Aue Apolda und später in den Nachwuchsmannschaften der BSG Empor Aue. 1953 wechselte er zur BSG Motor Jena, bei der er in der Läuferreihe eingesetzt wurde und 1956 den Aufstieg in die DDR-Oberliga schaffte. Er bestritt zwei B-Länderspiele und gehörten zu den Kandidaten für die A-Nationalmannschaft der DDR, die jedoch die angestrebte Qualifikation für die WM 1958 in Schweden verfehlte. Mit seinem Verein errang er 1958 – die DDR-Saison verlief damals parallel zum Kalenderjahr – die DDR-Vizemeisterschaft.
Der Überwachung und Gängelung durch die Staatsorgane müde, beschlossen Rahm und seine Freundin Gisela Ende Dezember 1958 in den Westen überzusiedeln. Sie gelangten nach München, wo sie bei bereits zuvor geflohenen Familienangehörigen Unterkunft fanden und heirateten. Die Fußball-Karriere fand in München ihre Fortsetzung, nachdem Adalbert Wetzel den jungen Mann zu den Löwen geholt hatte. Seine Frau, eine talentierte Hockeyspielerin, schloss sich dem Münchner SC an und schaffte es bis in die süddeutsche Auswahl.
Nach Ablauf der wegen des nicht genehmigten Vereinswechsels obligatorischen Sperre von zwölf Monaten gab Günter Rahm am 3. Januar 1960 sein Debüt in der Oberligamannschaft des TSV 1860. Insgesamt bestritt er 63 Oberligaspiele und gehörte mit 28 Einsätzen in der Saison 1962/63 zu den Stützen des Teams, das in jener Spielzeit die Süddeutsche Meisterschaft errang und damit die Aufnahme in die neu gegründete Bundesliga sicherte. In der ersten Bundesligasaison hatte er mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und kam nur noch einmal zum Einsatz, woraufhin er im Sommer 1964 seine aktive Laufbahn beendete.
Dies auch deshalb, da er bei der Firma Agfa als Laboringenieur angestellt war und das berufliche Fortkommen wichtiger erschien als die Risiken einer Profikarriere im Alter von 30 Jahren. 1973 wurde ihm die Leitung des Agfa-Werks in Peiting übertragen, das unter seiner Führung einen großen Aufschwung nahm. Zuvor war er beim TSV 1860 vom 22. März 1968 bis zum 28. November 1970 als Leiter der Fußballabteilung tätig.
Fußball spielte Günter Rahm nun nur noch beim von Sammy Drechsel, dem Leiter der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, begründeten FC Schmiere, einer Prominentenmannschaft, deren Anliegen es war, Gelder zur Unterstützung wohltätiger Zwecke einzuspielen. Entsprechende Aktionen initiierte er im zur Heimat gewordenen Peiting oft auch selbst. Dem Fußball galt auch weiterhin sein Interesse und im Jahre 2022 stellte er sich Mitgliedern der Abteilung Vereinsgeschichte für ein langes Gespräch zur Verfügung, im Rahmen des Projekts „Giasing International“, das sich mit den Biografien von Löwen mit Migrationsgeschichte beschäftigte.
Am 19. Oktober 2024, kurz nach seinem 90. Geburtstag, ist Günter Rahm gestorben. Unser Beileid gilt seiner Gattin und der ganzen Familie. Möge er in Frieden ruhen.
(Claus Melchior)