Thomas Bohlender: „Wir unterstützen jährlich mit ca. 2 Mio. das NLZ!“
Thomas Bohlender ist Fußball-Abteilungsleiter. Der promovierte Geisteswissenschaftler ist seit frühester Jugend an glühender Löwenfan, unterrichtete bis 2020 als Lehrer an einem Münchner Gymnasium. Seit 2022 steht er der mit Abstand größten Abteilung des TSV München von 1860 vor. Als Sechzger-Leichtathlet hat er zudem die Deutsche Meisterschaft im Weitsprung in seiner Altersklasse gewonnen. Kürzlich veröffentlichte er zusammen mit Claus Melchior zum 125. Jubiläum der Fußball-Abteilung im Verlag DIE WERKSTATT das Buch „57, 58, 59, Sechzig!“. Im Gespräch beantwortete Thomas Bohlender Fragen zu aktuellen Themen.
Vor der Mitgliederversammlung des TSV München von 1860.e.V. war viel zu lesen, unter anderem ging es um die Professionalisierung im Nachwuchsfußball. Die Fußball-Abteilung mit ihren rund 23.000 Mitgliedern ist für das Junglöwen-NLZ verantwortlich. Gibt es da Professionalisierungsbedarf?
Thomas Bohlender: Nein, absolut nicht. Als Fußballabteilungsleiter des e.V. bin ich ja hauptverantwortlich für das NLZ und da ich mich mit der NLZ-Leitung im ständigen Austausch befinde und alle wesentlichen strategischen und personellen NLZ-Entscheidungen mit der Fußball-Abteilungsleitung abgesprochen werden, weiß ich, dass in unserem NLZ hochprofessionell und extrem effizient gearbeitet wird. Das NLZ ist, dank des e.V., organisatorisch und personell hervorragend aufgestellt, hat eine klare Erfolgsstrategie und eine durchgängige Spiel-Philosophie. Der Erfolg gibt uns Recht, unser NLZ gehört, trotz einer vergleichsweise geringen finanziellen Ausstattung, zu den zehn besten NLZs in Deutschland. Natürlich sollten wir uns nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen. Verbessern kannst Du dich immer!
Der Servicevertrag zwischen den Gesellschaftern, der die finanzielle Unterstützung durch die KGaA regelte, lief 2019 aus. Schon seit dem Abstieg der Profis aus der 2. Bundesliga 2017 flossen keine Mittel mehr. Wie wurde das aufgefangen?
Bohlender: Die Fußball-Abteilung des e.V. hat das komplett aufgefangen, sie trägt inzwischen 90% der Personalkosten des NLZs. Dies ist nur möglich, weil wir seit 2017 Tausende von Mitgliedern dazu gewonnen haben. Denn die Mitgliedsbeiträge fließen eins zu eins, wenn man mal von Verbandsabgaben und Vereinsgebühren absieht, ins NLZ.
Wie hoch ist das jährliche finanzielle Engagement der Fußball-Abteilung?
Bohlender: Die Fußball-Abteilung des e.V. unterstützt das NLZ jährlich mit ca. 2 Mio. Euro.
Immer wieder schafft es das NLZ, Talente zu den Profis zu bringen. Diese Saison stehen mit Lukas Reich, Erion Avdija, Sean Dulic und Raphael Ott vier weitere Eigengewächse im Kader. Wie ist diese Kontinuität zu bewerkstelligen?
Bohlender: Dass so viele aussichtsreiche Eigengewächse Jahr für Jahr an die Profis weiter gegeben werden können, hat auch eine menschliche Komponente. Wir haben im NLZ eine Top-Leitung und ein Top-Trainer- und Betreuerteam, das nicht nur die sportliche Qualität entwickelt, sondern auch eine familiäre Atmosphäre schafft, menschliche Werte vermittelt und die Löwen-DNA an unsere Junioren-Spieler weitergibt. Zahlreiche identitätsstiftende Maßnahmen wie Elternabende mit bekannten Spielern, die vor ihrer großen Karriere das Junglöwen-NLZ durchlaufen haben, tun ein Übriges. Viele unserer Junioren-Spieler sind inzwischen weitgehend immun gegenüber Abwerbungsversuchen wesentlich zahlungskräftiger Klubs.
Wie wichtig wäre ein neuer Servicevertrag für die Planungssicherheit des NLZs und gab es schon Gespräche mit der neuen Geschäftsführung?
Bohlender: Ein neuer Servicevertrag zwischen der KGaA und dem e.V., durch den die Leistungen des e.V. in Sachen Ausbildung im NLZ von der KGaA finanziell angemessen gewürdigt werden, wäre sehr wünschenswert, weil er die Qualität des NLZs weiter verbessern kann. Von der neuen Geschäftsführung kommen dazu positive Signale. Das erste formelle Gespräch steht in Kürze an.
Ist die Erkenntnis gereift, dass es sich beim NLZ um die „Herzkammer des Vereins“, wie Sie es mal ausgedrückt haben, handelt?
Bohlender: Unser Präsident Robert Reisinger hat es mehr als deutlich gesagt und ich glaube, auch die neue KGaA-Geschäftsführung hat erkannt, von welch unschätzbarem Wert das NLZ für den Aufbau einer erfolgreichen Profimannschaft ist. Da bekommst du jedes Jahr ohne Ablöse hochtalentierte Spieler für den Profikader, die sich voll mit dem Verein identifizieren. Was Besseres kann dir doch gar nicht passieren. Wenn Du diesen Weg konsequent über Jahre gehst und deine Eigengewächse einbindest, was ja leider in den letzten Jahrzehnten nur völlig unzureichend der Fall war, dann wird sich der gewünschte Erfolg der Profis fast zwangsläufig einstellen.
Ein weiteres Thema ist die Infrastruktur. Gerade auf dem Kunstrasen tummeln sich ab Herbst mehrere Jugendmannschaften gleichzeitig zum Training, die U21 weicht zum Spielen nach Gilching aus, die Amateur-Teams der Männer und Frauen trainieren und spielen ebenfalls auf externen Plätzen. Wird sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern?
Bohlender: Bei der Gebäude- und Trainingsplatzinfrastruktur ist noch viel Luft nach oben. Wir als e.V. würden gerne zügig die Qualität der Trainingsplätze verbessern, damit auf allen Plätzen ganzjährig trainiert und gespielt werden kann. Die Erbpacht über das Trainingsgelände hat aber die KGaA. Der e.V. darf hier nicht investieren, sonst verliert er seine Gemeinnützigkeit.
Wenn die berühmte gute Fee kommen würde. Was würden Sie sich für die FA wünschen?
Bohlender: Ich hätte zwei Wünsche. Mein erster Wunsch ist ein neuer Servicevertrag. Leider scheiterte bisher jeder Versuch, einen neuen Servicevertrag abzuschließen, der die Basis für die Zusammenarbeit zwischen KGaA und Fußballabteilung regelt und die notwendigen Mittel für eine noch erfolgreichere Jugendarbeit bereitstellt, am Veto des von unserem Mitgesellschafter dominierten KGaA-Aufsichtsrats. Mein zweiter Wunsch ist, dass die KGaA mit den sportlichen Juwelen aus dem NLZ, die sie von der Fußballabteilung des e.V. auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, eine schlagkräftige Mannschaft aufbaut, die kurz- bzw. mittelfristig in die Zweite Liga und langfristig in die Bundesliga aufsteigt.